Das Sulinger Kreuz1

Bahnhof Sulingen (Strecken 219 und 219a)

Das erste Bahnhofsgebäude in Sulingen entstand mit dem Bau der Strecke Bünde-Rahden-Bassum im Jahre 1900 in Fachwerkbauweise und mit einer teilweisen Bretterverschalung der Fassade. Daneben wurden ein einständiger Lokschuppen, eine kleine Drehscheibe zum Wenden der Lokomotiven, ein Kohlebansen und ein Wasserturm errichtet, dessen Pumpwerk zunächst von einem Windrad angetrieben wurde. Mit dem Bau der Ost-West-Strecke Nienburg-Diepholz im Jahre 1921 wurde Sulingen zum Eisenbahnkreuzungspunkt (“Sulinger Kreuz”), was erhebliche Erweiterungen erforderlich machte. Somit entstanden Anfang der 1920er Jahre die beiden mechanischen Stellwerke “Sn” und “Sf”, weitere Rangiergleise, außer dem Hausbahnsteig zwei weitere überdachte Bahnsteige mit Unterführung und eine Erweiterung des Lokschuppens auf vier Stände. Die kleine Drehscheibe wurde durch eine größere ersetzt. In den frühen 1950er Jahren wurde das ursprüngliche Fachwerk-Bahnhofsgebäude abgerissen und durch einen modernen Neubau im Stil der Bauhausnachfolge ersetzt. Der neue, elegant und sehr modern aussehende Baukomplex verfügte über eine Empfangshalle mit zwei Fahrkartenschaltern, eine Güterabfertigung, eine Bahnhofsbuchhandlung und eine große Bahnhofsgaststätte. Doch die Zeit dieses sehr schönen und funktionalen Gebäudes blieb nur eine relativ kurze Episode, die nur den Höhepunkt der Nutzung des Sulinger Kreuzes sowie seinen Anschluß an das Fernverkehrsnetz markierte. Bereits 1966 erfolgte die Einstellung des Personenverkehrs in Richtung Diepholz, 1969 auch in Richtung Nienburg. In den 70er Jahren wurde weiter fortlaufend ausgedünnt, 1975 schließlich die Nahverkehrszüge und der Stückgutverkehr eingestellt.

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In den 1980er Jahren betrug der Güterumschlag in Sulingen noch 600.000 t jährlich. Neben landwirtschaftlichen Gütern spielte dabei auch die Sulinger Industrie eine große Rolle, insbesondere die “Lackdrahtunion”, die über einen eigenen Gleisanschluß verfügte. Der Personenverkehr bestand Ende der 1980er Jahre nur noch aus werktags (außer samstags) verkehrenden zwei Eilzugpaaren. Abends kreuzte sich eines der beiden Eilzugpaare in Sulingen, während morgens zwischen den beiden Zügen ein zweistündiger Abstand lag. Neben Diesellokomotiven der Baureihen 216 und 211 wurden zeitweise auch Schnellzuglokomotiven der Baureihe 220 und Triebwagen der Reihe 624 im Eilzugverkehr eingesetzt.

Am 27. Mai 1994 fuhr in Sulingen um 18:30 Uhr der endgültig letzte reguläre Reisezug ab. Rund zweieinhalb Jahre später erfolgte die vollständige Stillegung der Streckenteile Sulingen-Bassum, Barenburg-Rahden und Sulingen-Nienburg. Das nicht mehr benötigte Bahnhofsgebäude wurde von der Stadt Sulingen gekauft um es kurze Zeit später abzureißen. Heute steht an seiner Stelle ein Wohn- und Geschäftshaus mit Tiefgarage. Die umfangreichen Gleisanlagen des Sulinger Bahnhofs wurden bis auf die wenigen Gleise demontiert, die noch für die Tankzüge benötigt werden, die für die Exxon-Mobil zwischen Barenburg und Diepholz fahren. Das stillgelegte Streckengleis in Richtung Bremen verliert sich nördlich des Bahnhofs unter Gestrüpp- und Strauchbewuchs. Insgesamt bietet der Sulinger Bahnhof heute ein sehr trostloses Bild. Seine einzige verbliebene Funktion ist das Wenden der Tankzüge Diepholz-Barenburg (Exxon-Mobil). Die weitgehende Verbauung des Geländes als Wohn- und Gewerbegebiet mit einer neuen Straße sind  im Jahr 2015 bereits angelaufen. Sollte die geplante Südschleife zur Umgehung Sulingens der verbliebenen Strecke Diepholz- Exxon Mobil (Barenburg) realisiert werden, bestünde die Gefahr, daß der Bahnhof Sulingen komplett verschwindet und eine Reaktivierung kaum mehr möglich ist. 

Aktualisierung 27.05.2016: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Planfeststellungsbeschluß des Eisenbahn-Bundesamtes für den Bau der Sulinger Südschleife vom 16.11.2011 für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Begründet wird dies damit, daß die Südschleife ein Stillegungsverfahren bezüglich der durch die Südschleife umgangenen Streckenabschnitte erfordere, bei der eine Betreibergesellschaft ein Verkehrsbedürfnis geltend machen kann, denn durch die Kappung mittels der Südschleife würde der Schienenverkehr zum Sulinger Bahnhof unmöglich. Die Bonner “Rhein-Sieg-Eisenbahn”, die auch als Kläger auftrat, hat bereits Verkehrsinteresse an den Verbindungen nach Sulingen geltend gemacht. Außerdem habe das Eisenbahn-Bundesamt die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung verneint, ohne die Durchführung seiner Vorprüfung hinreichend zu dokumentieren.

  

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Das in den frühen 1950er Jahren errichtete, heute verschwundene Bahnhofsgebäude in Sulingen (Foto aus den späten 1980er Jahren).

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Die Empfangshalle des in den frühen 1950er Jahren errichteten, heute verschwundenen Bahnhofsgebäudes in Sulingen (Foto aus den späten 1980er Jahren).

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Die Bahnsteigseite des Sulinger Bahnhofs in den 1980er Jahren. Früher (vermutlich bis in die 50er Jahre) waren hier zwei solcher überdachten Bahnsteige.

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Der Bahnhof Sulingen im Jahre 2008

 

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Tankzug für die Exxon-Mobil Barenburg am Bahnhof Sulingen Anfang der 2010er Jahre.

 

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Der Lokschuppen in Sulingen ist verkauft und dient heute als Diskothek (Foto von 2013).

 

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Fahrdienstleiter-Stellwerk Sulingen Sf  im Jahre 2008.

 

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Stellwerk Sulingen Sn an der Nordseite des Bahnhofs im Jahre 2008. Die beiden mechanischen Stellwerke Sn und Sf sind im Jahre 1921 erbaut worden.

 

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Dieselelektrische Lokomotive der Baureihe 232 aus DDR-Beständen am Stellwerk Sf. Foto von 2008.

 

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Die alte Bahnsteigunterführung in Sulingen im Jahre 2012.

 

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Einen touristischen Personenverkehr zwischen Diepholz und Sulingen gibt es bereits seit 2011, wenn auch nur einmal pro Jahr zum “Sulinger Herbstfest”. Durchgeführt wird er in Kooperation des AEBB mit dem VCD und der “Rhein-Sieg-Eisenbahn”. Eigens für diese Sonderzüge wurde der Bahnsteig 3 in ehrenamtlicher Arbeit instand gesetzt und eine Betriebsgenehmigung erwirkt. Das Foto entstand im Jahre 2012. Bei dem Gebäude am linken Bildrand handelt es sich um das Wohn-und Geschäftshaus, das anstelle des abgerissenen Bahnhofsgebäudes errichtet worden ist. 

 

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